Aus dem Projekt - Prozess, 20. Januar 2022.

Seit über einem Monat stelle ich also Menschen, genauer gesagt Frauen über 65 die Frage Was machst du mit deinem Wissen und Können? Am 13. Dezember 2021 habe ich sie zum ersten Mal einer Freundin gestellt und ihre Antwort aufgenommen und anschließend transkribiert. Seit dem 13. Januar 2022 poste ich die so entstandenen Texte hier in diesem Blog. 

Warum bisher nur Frauen? Weil es sich noch nicht ergeben hat, die Frage auch Männern zu stellen. Erstmal frage ich in meinem privaten Umfeld und das besteht überwiegend aus Frauen. 

Natürlich habe ich auch mir selbst die Frage gestellt Was machst du mit deinem Wissen und Können?  Meine Antwort darauf hat mich dazu gebracht, dieses Projekt zu starten, es ist sozusagen meine Antwort. Ich habe kein Konzept für dieses Projekt entwickelt und schon gar nicht einen genauen Ablauf und auch kein Ziel, sondern bin sogleich in die Umsetzung gegangen. Ich habe angefangen ohne zu wissen wohin es mich führen wird, wenn ich dieselbe Frage vielen Menschen über 65 stellen werde. Und jetzt bin ich im Prozess, aus dem ich hin und wieder berichten werde.

Um anzufangen habe ich auf meine Lieblingsfähigkeiten zurückgegriffen. Ich kann Interviews machen. Und ich weiß, wie man bloggt. Ich liebe es Menschen zu befragen, ihnen zuzuhören und dann, beim Abschreiben der Tonaufnahmen einzutauchen in die verschiedenen Stimmen und den spezifischen Sprechrhythmus. 

1987 habe ich zum ersten Mal jemanden befragt, ihm zugehört und seine Geschichten aufgenommen. Damals noch auf Bänder. Später habe ich die Bänder transkribiert, damals noch mit einer Schreibmaschine. Es waren viele Seiten und sollte ein Buch werden, aber daraus ist dann nichts geworden.

Natürlich denke ich darüber nach, was ich mit meinen Fragen und den Antworten eigentlich zeigen will. Und da fällt mir ein: Vielfalt. Ich will Vielfalt zeigen. Genauer gesagt, ich will meinen Beitrag dazu zu leisten, dass Vielfalt sichtbar wird. Dieselbe Frage an viele verschiedene Menschen zu stellen, bringt viele verschiedene Antworten hervor. Und keine davon ist richtig und keine ist falsch. Alle haben Gültigkeit und sind für die antwortende Person das, was im Moment wahr ist. 

Soziale Vielfalt hat auch immer den Aspekt der sozialen Schönheit, ein Konzept von Joseph Beuys, dessen Gedanken zur sozialen Skulptur mir seit vielen Jahren eine Inspiration sind. 

Soziale Vielfalt als gelebtes Miteinander kenne ich aus praktischer Lebenserfahrung, weil ich viele Jahre als Deutsche woanders Ausländerin war. Ich kenne das Anderssein und weiß, wie es sich anfühlt, nicht dazuzugehören, aber gerne dazugehören zu wollen. 

Gerald Hüther sagt, dass alle Menschen mit zwei Grundbedürfnissen auf die Welt kommen. Das ist das Bedürfnis dazuzugehören und das Bedürfnis individuell und autonom zu sein. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns unser ganzes Leben lang. 

Die Frage in dieser Gemengelage ist, wie entwickle ich mich individuell, wie verwirklich ich mich, wie entfalte ich das, was in mir angelegt ist und wie gelingt es mir gleichzeitig, in sozialen Zusammenhängen dazuzugehören und von anderen angenommen zu werden? Auch das ist ein Thema dieses Projekts, denn individuelles Wissen und Können steht immer auch im Zusammenhang mit anderen. Allein schon die Frage wie wir zu unserem Wissen und Können gekommen sind. Durch andere natürlich, die uns etwas zeigen, uns etwas lehren und etwas beibringen. 

Die Antworten, die ich derzeit aufnehme, sind spontan, denn die Befragten haben keine Zeit zum langen Nachdenken und Abwägen. Aber es zeigt sich, dass die meisten zu Beginn eine ziemlich lange Pause machen bevor sie antworten, oft mit diesem Erstaunen oder einer anderen emotionalen Reaktion, wovon  ich bereits in einem anderen Blogeintrag berichtet habe. 

Bisher waren es ja immer private Situationen, in denen ich gefragt und die Antwort aufgenommen habe. Diese mehr oder weniger vertrauten Treffen machen es einfach, spontan zu sein und zu sagen, was einem gerade in den Sinn kommt. Ich bin gespannt, wie sich das Projekt entwickeln wird, wenn ich Menschen frage, die ich nicht kenne und mit denen ich mich nicht privat treffe. Ebenfalls bin ich gespannt darauf, wie Männer über 65 die Frage beantworten werden. Ich vermute, dass sie andere Aspekte ins Spiel bringen werden, die bisher noch nicht genannt wurde. 

Jedenfalls bin ich allen, die an dem Projekt teilnehmen, sehr dankbar fürs Mitmachen !!!










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