Was machst du mit deinem Wissen und Können? Lissy (4)

* Lissy, 81, Brühl im Dezember 2021.


Das verarbeite ich eigentlich nur mit mir selber. Und wenn es sich ergibt, dass ich das im Austausch mit anderen ... aber mein Leben ist sehr einsam geworden, so dass ich wenig Gelegenheit habe, mit anderen über bestimmte Dinge zu sprechen. 


Du gehst aber davon aus, dass in dir Wissen und Können ist.

Ja natürlich. Ja. Aber ich muss immer wieder feststellen, schade, dass ich darüber nicht reden kann. Weil niemand da ist. Mit meiner Enkelin, das sind junge Leute, die haben ganz andere Probleme und andere Interessen. Und mit meiner Tochter? Weniger, da geht es mehr um Gegenwärtiges.

Aber jetzt auch diese ganze Russlandgeschichte, die ich verfolgt habe, die sehr interessant war, was ich da alles gesehen habe, was sehr schön war,  bei Phoenix. Früher haben wir das ja alles vorgegaukelt bekommen von unserer Partei. Das war ja alles ganz anders. Stalin war ja gar kein Verbrecher. Und ich finde es sehr sehr schön, dass ich das in meinem Leben alles noch miterleben und begreifen kann, das zu wissen. Aber darüber würde ich sehr gerne mit jemandem reden, mehr auch nicht.  


Und meinst du nicht, dass es da eine Möglichkeit gibt, dass du einen Kreis findest, wo du Leute findest...

Nein. Als ich hierher kam, habe ich gedacht, du wirst dich bemühen, um irgendwie eine Gruppe zu finden, wo man eintauchen kann aber da kam Corona und es ist vorbei gewesen, sofort vorbei. Jetzt bin ich das zweite Jahr hier und es ist immer noch so, dass man nicht mit Menschen, die sich für irgendetwas interessieren, zusammenkommen kann. Das ist weg. Das ist nicht da.


Hast du mal an der Volkshochschule geschaut, ob dort sowas wie ein Gesprächskreis angeboten wird?

Nein, da habe ich noch nicht hingeschaut. Ich weiß nicht, ob es dort sowas gibt.


Wie fühlt sich das denn an, wenn dein Wissen und Können sozusagen...

... schlecht. Ganz schlecht. Es ist schade, dass man sich nicht austauschen kann. Das bedaure ich sehr. Ich hatte ja immer noch einen Kreis in Wernigerode. Wir haben uns ja zwei Mal im Jahr getroffen. Das war so ein Kreis aus sieben Leuten, ehemalige Lehrerinnen. Aber ich fahre schon seit einigen Jahren nicht mehr hin. Und seitdem ist auch mein Leben in den letzten Jahren stiller geworden. So vielleicht ausgedrückt. Ich habe niemanden, mit dem ich mich austauschen kann. Wenn Trudy und ich mal zusammen sind, kommen wir manchmal zu einem Thema, aber ansonsten nicht. Und das ist schade. Das bedauere ich.


Kannst du dir vorstellen, dass du dich nach Corona vielleicht aufmachst, um eine Gruppe zu suchen?  

Doch, das würde ich schonmal machen. Bloß bis jetzt habe ich das nicht getan, weil es ja keinen Sinn macht. Corona macht schon viel mit uns. 


Noch eine Frage, was das Wissen und Können angeht. Auch wenn du dich nicht austauschen und es anwenden kannst, aber nach innen lebst du ja damit. Ist dein Ansinnen vielleicht auch, dein Wissen zu vermehren und dazuzulernen? 

Ich lerne ständig dazu seit ich Phönix sehe. Da sind unheimlich interessante Beiträge. Und da lerne ich ständig dazu und das ist sehr gut. Übrigens habe ich mich neulich mit meiner Schulfreundin entzweit. Ich habe mich von ihr verabschiedet. Weil ich festgestellt habe, dass dort im Osten die Putingeschichte so geguckt wird, dass sie also nur Putin sehen und nicht nach links und rechts gucken. Und da habe ich mich neulich ganz gewaltig mit ihr auseinander gesetzt und wir sind eigentlich jetzt getrennt.  


Ihr habt euch gestritten?

Ja. Ich bin entsetzt, was sie mir da geantwortet hat. Ich habe an dem Abend noch eine Sendung gesehen, da ist also ein Ehepaar gewesen in Syrien, der Mann war ein junger Arzt und die Frau war eine Journalistin. Die hatte ihren Fotoapparat dabei und ihr frisch geborenes Kind auf dem Bauch. Die wollte für ihre Tochter alles filmen, was da stattfand. Da waren solche grausamen Dinge dabei. Die hörten die russischen Flieger. Das haben die schon erkannt, dass das Russen sind, die ihre Bomben auf Schulen und auch auf dieses Krankenhaus warfen. Mir kullerten die Tränen dabei. Ich habe versucht, das meiner Freundin zu erklären, aber ich weiß nicht was sie damit gemacht hat, keine Ahnung, sie hat nicht darauf geantwortet. Das habe ich auch bei einer anderen Kollegin gemerkt, als ich mich austauschen wollte und irgendwann von Putin anfing, da ging ein Lachen los und ich habe gemerkt, was soll das denn? Das war so ein Auslachen. "Putin, was hast du denn gegen Putin?" Ich weiß nicht, was da los ist im Osten, dass die den so verehren. Ja also das war so ein Austausch mal. Ich habe auch gedacht, jetzt im Alter all die Freunde, die in der Vergangenheit enger zu mir standen, das habe ich jetzt abgebrochen. Weil es keinen Sinn hat. Was soll ich jetzt mit denen reden? Ich kann mich über solche Dinge mit denen nicht unterhalten. Und habe gedacht, über Krankheiten will ich nicht reden, das ganze Gespräch, wenn ich dann mal anrufe. Oder eine Whatsapp schicke. Mit der einen tauschen wir uns manchmal noch aus, aber ansonsten hat das keinen Sinn. Und das ist schade. Es wäre besser, wenn man hier jemanden hätte, so einen Gesprächskreis hier, wo man sich zusammenfindet und miteinander reden könnte. Das wäre schön.



 

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