Was machst du mit deinem Wissen und Können? Illa (6)

Illa, 76, Erftstadt-Lechenich im Dezember 2021. 


Mein Wissen und Können hat ja meinen Beruf über 34 Jahre ausgemacht. Als ich damit aufgehört habe, da tat ich dann ja nicht mehr diese Dinge bei denen ich mein Wissen und Können eingesetzt habe. 


Woraus besteht dein Wissen und Können?

Zum Beispiel, dass ich genug über Textilien wissen musste. Dann war ich auch Ausbilderin und musste auch eine Ausbildereignungsprüfung haben. Ich musste auch geeignet sein, Menschen zu führen, vor allen Dingen auch Jugendliche. Dann habe ich auch politische Arbeit gemacht, ich war mit einer Journalistengruppe in Düsseldorf zusammen. Wir haben im Mittelstand Preise verliehen und solche Sachen. Dafür musst du ja auch Kenntnisse haben. Manchmal nur im Kopf, manchmal brauchst du auch Fertigkeiten mit der Hand. Ja, alle diese Dinge, die ich dafür brauchte, brauchte ich ja dann nicht mehr. 


Und wo sind sie hin?

Sie sind noch da. Wenn ich diesen Beruf wieder machen würde, oder nochmal aufgreifen würde, dann könnte ich all das noch, denn das habe ich gelernt, das habe ich praktiziert, aber ich habe ja dann etwas anderes  gemacht. Ich saß aber erstmal zuhause und habe versucht, Luft zu schnappen und runterzukommen, den Computer mal runterzufahren. Dann habe ich einen Job angeboten bekommen. Da hätte ich sicher auch meine Kenntnisse und Fähigkeiten mit einfließen lassen können, weil ich war ja auch Managerin in meinem eigenen Betrieb. Ich sollte BaFin managen, in Bonn. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Ich war ja nicht mehr die Jüngste und das war mir dann zu viel. Für diesen Job hätte ich Tag und Nacht telefonisch zur Verfügung stehen müssen und auch jeden Morgen nach Bonn, ein langer Job bis abends, und das wollte ich dann nicht. Meine GmbH existierte ja noch, die ist dann in die GmbH meines Mannes mit eingeflossen, nur die Mehrheitsverhältnisse haben sich geändert. Da sah ich, dass es da noch genug Arbeit gab und bevor wir dann jemand fürs Büro einstellen, habe ich das dann gemacht.


Also du bist dann praktisch in deinem eigenen Betrieb Angestellte geworden.  

Ja, genau. Kaufmännische Angestellte heißt das. Das bin ich heute noch.  Da wundert sich jeder. Wenn ich zum Beispiel ins Krankenhaus kam: "Sie arbeiten ja wohl nicht mehr." "Doch", habe ich gesagt. Also ich verdiene auch noch Geld. Zuerst habe ich das vor mir selber nicht anerkannt. Aber wie ich das begriffen hatte, ich arbeite noch und kriege dafür auch Geld und ich nehme das auch ernst. Ich musste da Dinge lernen, da hatte ich früher meine eigenen Leute für. Zum Beispiel Exeltabellen. Das habe ich gehasst wie die Pest. Ich stand für Kommunikation und Kreativität. Aber Büro und Exeltabellen! Eines Tages war ich stolz, dass ich das nochmal gelernt hatte und heute mache ich das. Mein Mann darf mir nur nicht zu nahe kommen, wenn ich Exeltabellen habe.


Wie alt warst du damals, als du dieses Neue dazugelernt hast.

Ich bin so ungefähr mit 65 nachhause gegangen. Dann habe ich ein Jahr oder zwei rumgeeiert, wo ich auch depressiv war. Ich hatte so viele Kontakte gehabt, und das ist dann schon ein anderes Leben und auch das Telefon klingelt ja kaum noch. Ich habe mich dann erstmal mit mir beschäftigt. Und dann habe ich ein halbes Jahr diese Kunsttherapie gemacht und danach war meine Depression weg und ich konnte es mit mir aushalten in diesem neuen Lebensabschnitt. Und dann habe ich mich umgeguckt und dann konnte ich wieder zur Tat schreiten.


Wie lange willst du diese Büroarbeit machen?

So lange wie wir zum Beispiel Häuser haben. Vielleicht wird es sich jetzt ändern, aber dann komme ich wieder mal an einen Punkt und ich werde mich dann nochmals in irgendeiner Art und Weise selbstständig machen. Weil mein Mann nicht länger als Freelancer arbeiten kann, sondern angestellt werden soll, weil ein Kollege von ihm gestorben ist. Wenn er dann angestellt wird, wird er unsere GmbH auflösen müssen. Dann werde ich arbeitslos. Wahrscheinlich werde ich es dann so machen, dass ich eins der Häuser an meine Firma verkaufe, und darüber zumindest habe ich dann noch irgendwas zu verwalten, was auch mit der Firma zu tun hat, und darüber kann ich mein Geld weiter verdienen, darüber kann mein Auto weiter laufen. Du siehst, der alte Kopf muss sich jetzt bewegen. Ich muss auch den Mut haben für diese Dinge. Das hat ja auch immer mit Unternehmertum zu tun. Dazu gehört Mut, zu allen Zeiten.




Kommentare