Was machst du mit deinem Wissen und Können? Berni (7)

* Berni, 74, Mülheim/Zülpich im Dezember 2021. 


Eigentlich mache ich das, was ich immer gemacht habe. Nur in einem kleineren Rahmen. Das Können ist ja irgendwannmal durch eine Ausbildung entstanden. Ausgebildet bin ich in der Landwirtschaft. Als Kind habe ich schon eine Grundlage bekommen, einfach weil ich mit den Erwachsenen spielend mitgegangen bin. Vor allen Dingen hat mir mein Opa sehr viel handwerkliches Können beigebracht. Dann habe ich die Ausbildung gemacht und war etwas traurig, weil ich nicht mehr Schule machen konnte oder ins Ausland durfte, sondern zuhause im Betrieb arbeiten musste. Ich habe sowohl im Haushalt als auch im Betrieb, also draußen, mitgearbeitet mit den Männern. Mit Treckern und großen Maschinen. Die zu reparieren, das war immer das Größte. 

Dann habe ich geheiratet und konnte das Wissen vom Haushalt in meinen eigenen Haushalt einbringen. Ich bin dann in einen Betrieb reingewachsen, den ich zusammen mit meinem Mann auch teilweise verändert habe. Wir haben wirtschaftliche Veränderungen und Investitionen und Neuregelungen getroffen, woran ich auch beteiligt war. Ich habe im Haus gearbeitet und im Betrieb mitgeholfen, bin auch aktiv Trecker gefahren. Bis irgendwann über die Kinder, die nachwuchsen, das betriebliche Arbeiten nicht mehr erforderlich war, weil der Sohn im Betrieb war. 

Zwischenzeitlich war ich im Ehrenamt tätig. Ich bin seit 1970 bei den Landfrauen sehr aktiv gewesen und habe die Frauenseite aktiv bei den Männern vertreten. In Versammlungen bin ich damals durch meine  Fragerei aufgefallen und durch meine Diskussionsbeiträge. In der berufsständischen Riege war ich damals eine Nummer, das muss man einfach sagen. Bei den Landfrauen sowieso. Das hat mir eigentlich das gegeben, was mir in den täglichen einfachen Arbeiten gefehlt hat, die ja nicht entlohnt und auch nicht geachtet werden, die doof sind, die aber gemacht werden müssen. Damit habe ich einen Ausgleich geschaffen. 


Wenn ich es richtig verstehe, dann hast du Anerkennung für deine Tätigkeiten außer Haus erhalten, und zuhause, also im Haushalt und im Betrieb, wurde deine Arbeit eher als normal angesehen, als selbstverständlich. 

Ja. 


Wie ist es denn heute? Die Frage ist ja, was machst du heute mit 74 Jahren mit deinem Wissen und Können? 

Ich versuche das, was ich mal gelernt habe, weiterzuentwickeln. Ich habe heute viel mehr Zeit, die mir erlaubt auch zu experimentieren. Ich erlebe immer so kleine Erfüllungen, wenn die Enkelkinder kommen und etwas brauchen. Egal ob die Enkelin etwas wissen will fürs Nähen oder Backen oder der Enkel will, dass ich ihm in der Werkstatt helfe, weil der Papa nicht da ist. Die Kinder wissen, was sie bei mir abrufen können.


Ich nehme an, das macht dich zufrieden, wenn du den Enkelkindern weiterhelfen kannst, oder?

Ja, das macht mich sehr zufrieden. Ähnliche Erfahrungen habe ich auch im Ehrenamt gemacht. Ich habe früh angefangen, Übergänge zu einem Nachfolger zu schaffen in allen Bereichen. Ich habe mitbekommen, dass die Einstellungen von Jüngeren und Älteren teilweise extrem unterschiedlich sind. Die Jugend hat mehr Mut zum Risiko und die Alten sind teilweise zu bequem, Neues zu machen. Da ein gutes Mittelmaß zu finden ist einfach wichtig, und wenn man jünger ist, macht man das einfacher, als wenn man da als alter Mensch auf seiner Position hocken bleibt und Macht ausübt, die man mal hatte. Von daher habe ich viele Übergänge geschaffen und wir haben es, mehr oder weniger von mir gesteuert, so gemacht, dass ich die Position der Vorsitzenden abgegeben habe und als beratendes Mitglied im Gremium ohne Stimme dabei geblieben bin. 


Ich habe den Eindruck, dass du stolz darauf bist, diese Übergänge so gut hinbekommen zu haben.

Das bin ich auch. Und ich werde immer noch gefragt, was ich meine und wie ich es machen würde. Für die Organisation und den Verein bringt es mehr Sicherheit wenn ein Übergang fließend ist und nicht stockt. Aber man erlebt immer noch, dass es harte Schnitte gibt, die dann zu Lasten der Organisation gehen. 


So einen guten Übergang habt ihr hier ja auch mit eurem Betrieb gemacht, als ihr ihn auf den Sohn übertragen habt.

Ja. 


Wie alt ward ihr, als ihr den Betrieb übergeben habt?

So um die 65, ich war Anfang 60. Dazu muss man sagen, dass mein Mann auch sehr früh den Betrieb von seinem Vater übernommen hat, weil der gesehen hat, dass sein Sohn der bessere Bauer ist. Der Vater hat ihm damals Freiheit gegeben, das war Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. Er hat gesagt, wir machen es so, dass du auf diesem Feld es so machst, wie du denkst und ich mache es auf einem anderen Feld so, wie ich es immer gemacht habe, und wir gucken dann was dabei rauskommt. Da das Resultat meistens beim Sohn besser war, hat mein Schwiegervater gesagt, es ist jetzt an der Zeit, dass du den Betrieb übernimmst. Von daher haben wir es dann auch so weitergegeben.


Nochmal: Was machst du heute mit deinem Wissen und Können?

Überall wo einer fehlt muss ich einspringen. Trecker fahren mache ich aber grundsätzlich nicht mehr, kann ich auch nicht mehr mit den modernen Maschinen. Aber überall sonst werde ich eingesetzt und das kann ich auch. Ich mache das auch, aber ich dränge mich nicht mehr auf. Ich warte bis ich gerufen werde. Ich werde oft gerufen. 

Ansonsten kann ich mich hier in den eigenen vier Wänden sehr gut selbst beschäftigen. Ich kann Sachen machen, die nicht unbedingt lebensnotwendig sind und die kein Geld bringen. Ich liebe meine Nähmaschine, ich liebe meine Stickmaschine, ich liebe meinen Computer, ich genieße das Wissen aus dem Computer, ich liebe das Tablet. Mir geht es gut.




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