Vom Ich und vom Wir.

Nach dem Berufsleben machen wir, also die meisten, erstmal laaaange Urlaub. Auch wenn wir nicht wegfahren, so fühlt es sich erstmal an wie Ferien. Freisein. Tun und lassen, was man will. Lange schlafen. Morgens im Schlabberlook rumlaufen. Erstmal gemütlich frühstücken. Zeitung lesen. Überlegen, was heute gekocht wird. Überlegen, was und wo man heute einkaufen geht. Ob überhaupt oder lieber nicht. Vielleicht plant man etwas für den Nachmittag oder Abend. Vielleicht auch nicht, weil es schön ist, alles einfach so laufen zu lassen. Niemand will mehr etwas von einem. Wie gesagt: man ist frei.

Ich bin frei. 

Ich kann übrigens immer häufiger ich sagen ohne mich egoistisch zu fühlen und ohne als solche angesehen zu werden. Irgendwie verschwinden nämlich die Wirs beim Älterwerden. Ich sagen ist also eine Aussage, die die Wirklichkeit spiegelt. Und damit kann es nicht als egoistisch gelten.

Das Wir der Familie endet meist im Wir des Alten Paares, und von dem bleibt irgendwann auch nur einer oder eine übrig. Das Wir im Job, die Kolleginnen und Kollegen, das Unternehmen, die Institution, lange Zeit ein Wir zu dem wir dazugehört haben. Aber wenn wir raus sind sind wir raus.

Ich sagen ist ja irgendwie verpönt. Es wird gern mit Wir sagen geschönt. So wie ich es oben eingangs gemacht habe. Oder man sagt man. Bloß nicht ich. Warum eigentlich? 

Ich glaube, wir verstecken uns gerne in einem Wir oder einem Man. Und schon habe ich es wieder getan, mich versteckt. Ich sollte ehrlicherweise schreiben: Ich verstecke mich gerne hinter oder in einem Wir und einem Man. Was ist eigentlich so unangenehm daran, ich zu sagen? Ich weiß es nicht. Aber ich fühle mich wohler, wenn ich mich verstecke. Irgendwie sicherer. Irgendwie geschützter. Weniger angreifbar.

Ich achte übrigens darauf, mir immer wieder neue Wirs zu schaffen, denn ich brauche es, dazuzugehören. In den Phasen, in denen ich kein Wir habe, bin ich nicht wirklich glücklich. Irgendwie fehlt mir etwas. Ich gehe dahin, wo es Gruppen gibt oder sich Gruppen bilden. Natürlich nicht irgendwohin nur um der Gruppe willen, sondern dahin, wo ein Thema behandelt wird, das mich interessiert und wofür sich auch andere interessieren. Wenn ich dann dazugehöre, kann ich aus vollem Herzen wiedermal wir sagen. Das fühlt sich super an. 

Vom Durcheinander beim Ich und Wir hier eine Anekdote: Ich bin immer verwirrt, wenn meine Freundin Johanna sagt: Ich fahre nächste Woche nach Holland. Ich frage dann nach: Allein? Sie sagt dann im Ton völliger Überraschung:  Nein, mit Uwe natürlich. Ich frage mich immer hinterher, warum sie nicht gleich sagt: Wir fahren nächste Woche nach Holland. Keine Ahnung.


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