So viel Kompetenz

Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Kompetenz zusammenkommt, wenn sich Leute über 50 treffen, die an einem gemeinsamen Wohnprojekt interessiert sind. Oder auch in der Zukunftswerkstatt, in der es darum geht, sich mit Lebensgestaltung nach dem Berufsleben zu beschäftigen. Oder bei Gesprächen auf den Lesungen aus dem Buch Ab ins Wohnprojekt! Oder bei runden Geburtstagen...  zum 60. zum 70. zum 80. und so weiter.
Alter und Kompetenz ist eine Kombination, die üblicherweise nur dann zusammen gedacht wird, wenn der alte Mensch etwas besonderes geleistet hat: ein erfolgreiches Buch geschrieben hat, eine Position im öffentlichen Leben innehat oder hatte, berühmt und bekannt ist, weil er oder sie einen Beruf ausgeübt hat oder ausübt, der in der Öffentlichkeit stattfindet.
Ich wollte hier auf die Kompetenz älterer Männer und Frauen zu sprechen kommen, die nicht berühmt sind und nichts Außergewöhnliches geleistet haben. Die "nur" ihr "normales" Leben leben, ihren Beruf ausüben oder ausgeübt haben, ihre Kinder großgezogen haben, ihre Privatleben so oder so oder so leben, und dabei im Laufe der Zeit Kompetenzen entwickelt haben, die natürlich im Alter nicht einfach so verschwinden.
Was passiert eigentlich mit all den entwickelten Fähigkeiten, wenn sie nicht eingesetzt werden? Wenn es für sie keinen Bedarf mehr gibt? Kompetenzen, die nur zum Geldverdienen genutzt wurden, werden überflüssig, sobald man in Rente geht. Aber sie verschwinden nicht. Sie lösen sich nicht einfach auf.
Im Miteinander von Gruppen und im freiwilligen Engagement können Männer und Frauen ihre Kompetenzen unterbringen, können sie Rollen finden, in denen sie das, was sie können, weiterentwickeln können. Wenn sie wollen.
In selbstorganisierter Zusammenarbeit und im freiwilligen Miteinander sind jedoch Fähigkeiten gefragt, die oft nicht vorhanden sind, weil sie in den üblichen Organisationsstrukturen beruflicher Arbeit nicht notwendig waren beziehungsweise sogar störend gewesen wären. Zum Beispiel die Fähigkeit, selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen, und zwar gemeinsam mit anderen und diese Entscheidungen ebenfalls gemeinsam mit anderen umzusetzen. Ohne hierarchische Struktur, ohne Chef oder Chefin, ohne Kontrolle von außen oder von oben. Wie Miteinander geht, wenn niemand da ist, der oder die bestimmt, was zu tun ist, ist eine Herausforderung für alle diejenigen, die erst im Alter die Möglichkeit haben, selbst zu bestimmen wo es für sie lang geht. Und wer das nicht nur als Privatmensch, sondern gemeinsam mit anderen in einer Gruppe leben will, muss neue Methoden der Kommunikation lernen. Lernen im Alter ist für viele Ältere jedoch nicht selbstverständlich.





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