Widerstand willkommen heißen.

Systemisches Konsensieren ist eine Entscheidungsmethode, die nach dem Widerstand fragt. Eine kurze Beschreibung von SK lautet:
Alle an einer Entscheidung Beteiligten sammeln so viele Vorschläge wie möglich und wählen dann den Vorschlag aus, der die wenigsten Widerstandspunkte erhält. Dies ist der Vorschlag, der die höchste Akzeptanz hat und daher auch die meiste Energie für die Umsetzung mitbringt.
Wer Systemisches Konsensieren lernt, ist also mit den Fragen konfrontiert: Wie erlebe ich Widerstand?  Was bedeutet für mich persönlich Widerstand? Und was ist das überhaupt: Widerstand?

Widerstand und Dagegensein sind immer auch Gefühle. Widerstand kann vieles sein: Bedenken, Zweifel, Skepsis, Angst, Vorurteile, Frustration. Unter dem Begriff Widerstand sammeln sich viele Variationen von einem NEIN. Je nach dem, in welchem Kontext Widerstand aufkommt und formuliert werden soll, wird er oft als Argument ausgedrückt, als Erklärung, als rationaler Gedanke. Die Gefühle, die dabei im Spiel sind, werden oft nicht formuliert. Aber sie schwingen mit. Da ist zum Beispiel der Ton, der die Musik macht, also die Art und Weise, wie etwas gesagt wird. Jedenfalls ist Systemisches Konsensieren eine Methode, die Gefühle einschließt und nicht ausklammert. Daher ist es notwendig, die eigenen Gefühle erstmal wahrzunehmen. Und dann braucht man Mut, um sich mit seinen Gefühlen für andere sichtbar zu machen. Es ist also wichtig sich selbst zu fragen:
Wie fühle ich mich mit Widerstand? Wie geht es mir mit Dagegensein?

Widerstand und Dagegensein kann ich aus zwei verschiedenen Richtungen erleben. Von außen auf mich zukommend und von innen in mir drin entstehend. Die Fragen sind also: Wie fühlt sich innerer Widerstand an? Und wie geht es mir gefühlsmäßig mit Widerstand, der von außen auf mich zukommt? 

Wenn ich also einen Vorschlag zu einem bestimmten Thema in einer Arbeitsbesprechung mache und dieser Vorschlag von einigen abgelehnt wird, dann erlebe ich Widerstand von außen und entwickle dazu innere Gefühle. Vielleicht bin ich traurig, oder wütend, oder verärgert, oder frustriert, oder irritiert, oder oder oder.

Als nächstes dann die Frage: Wie gehe ich mit diesen Gefühlen um? Drücke ich sie aus? Formuliere ich sie? Oder schlucke ich sie runter? Es hängt einerseits von der Kultur am Arbeitsplatz ab, wie mit Gefühlen umgegangen wird. Aber es hängt auch von mir selbst ab, wie ich mit meinen Gefühlen umgehe. Das fängt damit an, ob ich sie überhaupt wahrnehme. Viele haben gelernt, Gefühle, die sie als unangenehm erleben, nicht wahrzunehmen. Wenn ich also das Gefühl der Frustration nicht fühlen will, dann merke ich meistens gar nicht, dass ich frustriert bin. Vielleicht drückt sich meine Frustration auch als Ärger aus, weil ich mit Ärger viel besser umgehen kann als mit Frust. Viele haben auch gelernt, äußerlich cool zu bleiben, obwohl sie innerlich kochen. Egal ob aus Ärger oder Frustration.

Die andere Frage zum Thema Widerstand ist: Wie fühlt es sich an, wenn ich dagegen bin? Nehmen wir dasselbe Beispiel, nur andersrum: Eine Arbeitskollegin macht einen Vorschlag in einer Besprechung zu einem bestimmten Thema, und ich bin dagegen. Bin ich bereit, meinen Widerstand zu äußern? Bin ich in der Lage, mein Dagegensein zu formulieren? Will ich mich zeigen mit dem, was ich wirklich denke?

Es hängt von der jeweiligen Kommunikationskultur an, ob eine offene und ehrliche Kommunikation überhaupt möglich ist.

Systemisches Konsensieren trägt jedenfalls dazu bei, dass sich eine Kommunikationskultur entwickelt, in der ehrlich, offen und respektvoll miteinander umgegangen wird. Wer Widerstand willkommen heißen kann, sowohl innen als auch außen, kann die Energie erleben, die im Dagegensein enthalten ist und hat die Möglichkeit, sie für kreative Lösungen für alle Beteiligten zu nutzen.


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