Was machst du mit deinem Wissen und Können? Anne (3)

* Anne, 75, Köln im Dezember 2021. (3)


Was ich damit mache? Gute Frage. Ja, was mache ich damit? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich habe ja schon eine ganze Menge in meinem Leben gemacht. Da hat sich ganz viel an Wissen und auch an Können angesammelt. Hoffentlich. Ich denke das fließt in alles rein, das fließt in mein Leben ein, das fließt in alles ein, was ich mache, egal was es ist. Jetzt haben wir gerade über die Biografien gesprochen. Wenn ich die  Interviews selber mache, dann fließt da mein altes psychologisches Wissen ein, durch mein Training in Humanistischer Psychotherapie in den 90-ern bei den Osho-Therapeuten. Ich habe das Training damals ja nicht gemacht, um mich damit selbständig zu machen und ein neues Berufsbild zu etablieren, sondern das fließt in vieles einfach ein, was ich mache wo ich mit Menschen oder mit Gruppen zu tun habe und was mir ein Stück Sicherheit gibt, wo ich manches reflektiere und mich nicht immer impulsiv verhalte sondern überlege, was braucht die Situation und was ist jetzt sinnvoll. 

Ich verstehe was du mit deiner Frage meinst. Wir sind ja alle Rentner oder kriegen Pension und haben alle irgendwie etwas oder viele Dinge gelernt und das fließt in der Regel nicht mehr in eine Berufstätigkeit ein. Ich glaube es fließt einfach in viele Aspekte des täglichen Lebens ein, ich hoffe es fließt in viele Lebensäußerungen ein. 


Gibt es denn in deinem Leben noch den Unterschied zwischen Privatem und Beruflichem, oder bist du ausschließlich immer privat?

Nein, das bin ich nicht. Wenn ich die Biografien mache, bin ich nicht privat. Da treffe ich mich mit Leuten und mache Interviews und sie erzählen mir ihr Leben, ich verschriftliche das dann und bringe es in eine grafische Form, oder ich mache nur die Grafik wenn meine Kollegin Ariane den anderen Teil macht. Und dann wird da ein Buch draus, ein Biografiebuch, was ich dann auch illustriere. Da bin ich schon auch in einer Rolle, in einer Funktion. 

Ich bin auch in einer Funktion am Theater in meiner Gruppe. Da bin ich im "Seniorenensemble des Kölner Schauspielhauses". Ich finde aber das Wort Senioren doof, deshalb sage ich lieber Altenensemble. Wir sind jetzt mit unseren Porträts auf der Website des Schauspielhauses, das ist eine Aufwertung, die ich gut finde. Da bin ich natürlich auch in einer Funktion, und ich finde diesen Wechsel auch Klasse, ich möchte das nicht anders haben. Jetzt bin ich 75 und da ist man normalerweise ausschließlich privat und setzt sich in seinen Garten und zupft ein bisschen Unkraut und macht diese ganzen Rentnerbeschäftigungen. Ich habe ja diese Biografien, die ich zum Teil aus der Not heraus gemacht habe, weil meine Rente so klein war. Sie ist jetzt durch die Grundrente etwas besser geworden, aber davor war sie so klein, dass ich einfach dazuverdienen musste. Aber es ist auch immer Lust und Spaß dabei, wenn ich die Biografien mache, und ich mache es auch sehr gerne. 

In der Theaterarbeit ist es so eine schöne Mischung, ich bringe mich da als alter Mensch auf der einen Seite ein mit meinen Erfahrungen, die ja auch gefragt sind von unseren jüngeren Leitern von diesem ganzen jungen Team, auf der anderen Seite bin ich auch in einer Funktion, vor allem wenn es dann um die Aufführungen geht, dann muss ich funktionieren, dann muss ich Zeiten einhalten dann muss ich zuverlässig sein. Das genieße ich aber auch, dass es diese Herausforderung bei mir gibt, das finde ich toll. Ich bin natürlich noch in anderen Rollen, im privaten Bereich, als Mutter und Großmutter und Schwiegermutter.


Willst du sagen, dass in all das dein Wissen und Können einfließt?

Ich hoffe es. Das ist natürlich nicht, dass es bewusst läuft, dass ich jetzt das Türchen A und dann das Türchen B aufmache. Aber manchmal gibt es Moment wo ich merke, dass da etwas einfließt, dass ich nicht verleugnen kann, dass ich Grafikerin bin oder dass ich mich viel mit Psychologie beschäftigt habe. Und wenn es nur so ist, dass ich weiß, dass ich mich Scheiße verhalten habe, aus diesen oder jenen Gründen.


Würdest du sagen, du kümmerst dich auch darum, dass sich dein Wissen und Können vermehrt?

Ich mache das nicht bewusst, das wäre mir zu theoretisch. Ich folge meinem Interesse. Ja. Und indem ich meinem Interesse folge, denke ich vermehrt sich mein Wissen. Das ist dann automatisch der Fall. Ich bin auch ein wissbegieriger Mensch. Ich lese keine Bücher, um die Zeit totzuschlagen. Wenn ich ein philosophisches Buch lese, lese ich das aber nicht, um mein Wissen zu vergrößern, sondern weil mich eine bestimmte Fragestellung interessiert. Und natürlich vergrößere ich dadurch auch mein Wissen. Aber ich glaube ich mache nichts, um gezielt etwas bei mir zu fördern oder zu trainieren. 









Ein Szenefoto aus dem Stück Wunderschönes Welkfleisch, in dem Anne mitspielt. 





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