Nichtwissen ist kraftvoll und riskant.

Mein wichtigstes Wissenswerkzeug ist mein Nichtwissen. Das ist mir letztens klargeworden. Ich empfinde kein Wissen so kraftvoll wie mein Nichtwissen. Das mag paradox klingen, daher möchte ich es etwas genauer beschreiben. Also: Nichtwissen heißt nicht, nichts zu wissen. Es heißt zu wissen, dass Nichtwissen ein Tool ist, also ein Werkzeug, das ich nutzen kann, um mit Fragen umzugehen, mit Situationen, mit Aufgaben, mit Herausforderungen, mit Problemen oder Konflikten. 

Wenn ich mein Nichtwissen aus dem Werkzeugkasten hole, schaffe ich damit ganz automatisch einen Raum, einen Zeitraum, in den alles einfließen kann, was in diesem Moment möglich ist und weit über mein Wissen hinausgehen kann. Ich weiß, dass es Möglichkeiten gibt, die mir im Traum nicht einfallen würden. Damit diese Möglichkeiten überhaupt stattfinden können, brauchen sie einen offenen Raum, sie brauchen Zeit, und diesen offenen Raum aus Zeit stellen wir her, wenn wir uns entscheiden, Nichtwissen zu praktizieren. 

Die übliche Situation im sozialen Miteinander ist jedoch, dass alle Beteiligten schnell ihr Wissen in die Runde werfen, wenn es um etwas geht, das besprochen oder gelöst werden muss, denn Wissen hat einen sehr hohen Stellenwert. Wissen und Meinungen sind die beiden Tools, die am meisten eingesetzt werden, um durch  den sozialen Alltag zu kommen. Alle haben Wissen und alle haben Meinungen. Manche auch dann, wenn sie keine Ahnung haben. Egal. Meinungen zu haben ist sozusagen eine Grundvoraussetzung, um am sozialen Gespräch teilzunehmen, sei es in der Familie, auf der Arbeit oder unter Freunden. Meinungen sind geronnene Gedanken. Ich glaube, diesen Satz habe ich mal irgendwo gelesen. Jedenfalls sind sie nicht frisch und müssen auch nicht selbstgemacht sein. Meinungen können wie Produkte aus einem Regal genommen und reproduziert werden. 

Ich traue mich mal einen provokativen Satz zu schreiben. Nichtwissen ist kraftvoller als Wissen.  Ich würde gerne im weiteren Verlauf versuchen, diese Aussage zu rechtfertigen. 

Erstmal ist natürlich klar, wenn ich weiß wie man ein zugefrorenes Autoschloss öffnet, dann ist das ein wirklich hilfreiches Wissen und es wäre blöd, in diesem Moment mein Nichtwissen aus dem Werkzeugkasten zu holen. In dieser Situation wäre der Griff zum Enteiserspray die bessere Lösung.

Mir geht es um das soziale Miteinander. Um Situationen, in denen wir uns mit Meinungen bekämpfen und jede und jeder recht haben will. Da könnte der Umgang mit Nichtwissen oft hilfreich sein. In einem Streit ist die Anwendung von Nichtwissen wie Waffen strecken. Aber klar, wenn das wie Schwäche gewertet wird und wenn der andere unbedingt gewinnen will, dann wird der Gegner in diesem Moment zuschlagen. Von daher ist die Anwendung von Nichtwissen durchaus riskant. 

Ich finde aber, das Risiko lohnt sich. Das sage ich aus Erfahrung, denn ich teste immer wieder wie Nichtwissen wirkt. Meine Erfahrung ist, dass es zur Beruhigung der sozialen Situation beiträgt. Um das besser verstehen zu können, müsste ich jetzt hier beschreiben, wie Nichtwissen kommuniziert werden kann, damit es überhaupt als solches wahrgenommen werden kann. Denn Nichtwissen heißt nicht, nichts sagen und still zu sein. Dazu mehr in einem anderen Blogeintrag. 




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