Aus dem Projekt - Prozess, 5. März 2022
Im Laufe des Projekts habe ich mich immer häufiger gefragt, ob meine Eingangsfrage in die Interviews offen genug ist, um den Radius für Antwortmöglichkeiten möglichst groß zu öffnen. Ich habe mich nämlich gewundert, dass kaum jemand sagt, er oder sie würde nichts oder nur sehr wenig mit ihrem/seinem Wissen und Können machen. Es ist natürlich klar, wenn ich frage: Was machst du mit deinem Wissen und Können? scheine ich davon auszugehen, dass man etwas damit macht und ich frage lediglich, was das ist.
Ich habe eingesehen, dass meine Frage nicht wirklich gut überlegt war. Ich finde, sie ist einfach zu eng und fordert offensichtlich auf, von dem zu erzählen, was man macht und nicht davon, dass man nichts macht. Mich interessiert aber auch, was diejenigen tun, die nichts mit ihren Kompetenzen machen. Also habe ich beschlossen, meine Eingangsfrage zu ändern in:
Wie gehst du mit deinem Wissen und Können um?
Ich bin gespannt, ob sich die Antworten ändern werden und ob ab jetzt vermehrt davon berichtet wird, dass man sein Wissen und Können kaum oder nur ganz selten nutzt und eher nichts damit macht. Dieser Aspekt interessiert mich immer mehr, denn das Leben wird ja weiterhin gelebt, und allerlei findet statt und vieles geschieht und man ist immer auch mittendrin in "etwas", oder vielleicht am Rand, aber in jedem Fall ist man dabei. Mich interessiert WIE man dabei ist, wenn man das eigene individuelle Wissen und Können nicht einbringen kann, wie sich das anfühlt und was es mit einem macht.
Ansonsten möchte ich hier auch erwähnen, dass mich der Angriff auf die Ukraine am 24. Februar und alles, was damit verbunden ist, alles, was ich darüber lese und sehe und höre, sehr beeinflusst und ich mir die Frage gestellt habe, ob ich weitermachen soll, Leute über 65 zu fragen, wie sie mit ihrem Wissen und Können umgehen. Die Frage schien mir plötzlich total unwichtig.
Nach einigen Tagen der Überlegung habe ich dann beschlossen weiterzumachen und meine Eingangsfrage zu ändern, so wie ich es schon länger vorhatte, aber irgendwie zu unsicher war. Plötzlich war die Unsicherheit weg und der Entschluss stand fest.
Mit der ersten Frageversion habe ich 14 Interviews gemacht, wovon die ersten zehn eine Überraschung für die Befragten war und sie keine Vorbereitungszeit hatten. Die letzten vier sind Interviews nach vorheriger Anfrage per Mail, in der ich den Link zum Blog mitgesendet hatte.
Manche der Befragten geben den Link auch an Bekannte oder Freunde/Freundinnen weiter, und einige sind dann einverstanden, dass ihre Mailadresse an mich weitergegeben wird, so dass ich eine Anfrage senden kann. So entwickelt sich eine schöne Dynamik.
Ich danke allen ganz herzlich, nicht nur fürs Mitmachen, sondern auch fürs Weitersenden des Links und fürs Vermitteln von Kontakten. Für den März habe ich bisher drei Termine für Interviews im Kalender stehen. Sie werden die ersten sein mit der Eingangsfrage: Wie gehst du mit deinem Wissen und Können um?
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