Was machst du mit deinem Wissen und Können? Franz (14)
* Franz, 68, Siegburg im Februar 2022.
Ich bin zusammen mit meiner Frau in einem Wohnprojekt in einer Nachbarstadt aktiv, im zweiten schon, das erste ist gescheitert. Wir wollen uns gemeinsam ein Wohnumfeld schaffen, in dem wir dann auch gerne alt werden möchten. Wir wohnen jetzt sehr schön, das ist aber nur so lange schön, wie wir fit sind, weil wir vertikal wohnen, in einem Altbau mit hohen Geschossen auf drei Etagen plus Keller plus Dachboden. Das ist jetzt gut, aber dann nicht mehr gut, wenn wir nicht mehr so fit sind. Diese Überlegung war sicherlich der Hauptanstoß. Der zweite Punkt ist, wenn wir uns denn schon ein neues Umfeld suchen, dann wollen wir gemeinschaftliches Wohnen realisieren.
Kannst du dein Wissen und Können in diese Wohnprojektgruppe einbringen?
Ich habe vorher Wohnungsbauförderung gemacht und bin vertraut mit Wohnungsbaufinanzierung und mit Planungsfragen, kenne das Thema Wohnprojekte und auch das Thema Wohnen im Alter schon aus der Berufspraxis. Ich bin mit vielen Themen in diesem Zusammenhang vertraut. Ich war mir sehr bewusst, dass ich das mit einbringen kann, und vielleicht war das sogar der Schlüssel für uns, Zugang zu dem Projekt und dieser bestehenden Gruppe zu finden. Wir hatten keine persönlichen Kontakte in die Gruppe, aber mein beruflicher Hintergrund war für die Gruppe interessant. Das war vor zweieinhalb Jahren und das hat sich im Weiteren auch so entwickelt und bestätigt, dass ich eine ganze Menge meiner beruflichen Erfahrungen einbringen kann in die Planung und die Vorbereitung dieses Projektes.
Was für ein Glück, wenn jemand seine berufliche Expertise in ein Projekt einbringen kann, bei dem es um die persönliche Zukunftsgestaltung fürs eigene Altern geht.
Genauso empfinde ich das auch. Ich erlebe es als einen Perspektivenwechsel. Ich habe vorher ja beruflich dafür gearbeitet, dass andere gut oder besser wohnen können. Und da es um Sozialwohnungsförderung ging, war es nie etwas für mich, auch nicht konzeptionell, sondern immer für andere. Das hat mich damals auch beruflich sehr motiviert. Und jetzt motiviert mich, dass es für mich und für uns selber ist. Damit sekundär natürlich auch für andere. Ein schönes gemeinschaftliches Wohnprojekt, in dem man mit anderen zusammenwohnt. Der Anspruch des Projektes ist, auch etwas für die Allgemeinheit zu tun und dazu trage ich dann auch meinen Teil bei.
Hat es einen freien Zeitraum gegeben nach dem Ende deiner Berufstätigkeit und deinem Engagement in dem Wohnprojekt, oder war der Übergang nahtlos?
Ja, dazu fallen mir zwei Stränge ein. Zum einen waren wir vorher in einem anderen Wohnprojekt aktiv. Das hatte schon während meiner Berufstätigkeit begonnen, lag dann aber irgendwie im Koma und ist kurz vor meinem Ruhestand in Bewegung gekommen und dann gescheitert. Da war ich auch ziemlich aktiv mit meinen beruflichen Kompetenzen. Und zum anderen habe ich parallel den Versuch gemacht, meine beruflichen Kompetenzen in einem gemeinnützigen Umfeld einzubringen, das mir sozialpolitisch besonders am Herzen liegt, nämlich das Thema Wohnen für Menschen mit Behinderungen. Das gehörte immer beruflich zu meinen Aufgaben, und ich wollte da nun auch Wohnprojekte unterstützen. Der Einstieg hat auch gut geklappt in den verbandlichen Bereich, aber ich habe dann doch gemerkt: Nee, das macht mir zu wenig Freude. Meine Expertise war dort zwar sehr begehrt, mir standen viele Türen offen wegen meines Hintergrundes und dem, was ich einbringen konnte, aber es machte mir zu wenig Freude. Es war sehr ähnlich wie meine berufliche Tätigkeit vorher, verbandlich und mit Terminen und so weiter. Aber es fehlte auch etwas. Ich saß meist am Schreibtisch, oder im Auto, oder in Sitzungen, war aber eigentlich ein Einzelkämpfer, der nicht so richtig gut persönlich-beruflich vernetzt ist. Und es war schwierig, ich musste alles immer selbst organisieren und hinter Infos herlaufen. Vorher hatte ich eher zu viel Infos und jetzt musste ich doch ziemlich hinterher sein, um alles Wichtige zu erfahren und wurde auch schon mal vergessen, wo ich etwas hätte wissen müssen. Und da habe ich gemerkt: Nee, es ist ähnlich meiner beruflichen Tätigkeit, aber mit Handicaps verbunden, das macht mir nicht den Spaß.
Hast du das ehrenamtlich gemacht?
Ja. Das war übrigens ein Grundsatz, mit dem ich in diese Arbeit reingegangen bin: Nie wieder gegen Geld! Ich habe es auch abgelehnt, als mir ein Honorar angeboten wurde. Das ist die Freiheit, die ich jetzt haben möchte. Nicht mehr für Geld arbeiten, sondern nur, weil ich Dinge oder Aktivitäten gut finde.
Ich finde das sehr spannend, was du erzählst.
Vielleicht noch ein Punkt. Ich habe nicht verstanden warum, habe es aber so wahrgenommen, dass ich irgendwie so ein Externer für die anderen war. So habe ich mich aber selbst nicht gefühlt, weil ich die anderen zwar nicht persönlich, aber in ihren Rollen und ihrem Tun gut kannte und mich ja in diesen Zusammenhängen zuhause gefühlt habe, weil ich diesen beruflichen Hintergrund hatte. Aber ich war doch eigentlich für die anderen immer einer, der von außen punktuell dazukam.
Würdest du sagen, sie konnten mit dir nicht so richtig was anfangen?
Nein, sie konnten ja was mit mir anfangen und waren ja auch sehr dankbar für das, was ich einbringen konnte, insofern konnten sie mit mir etwas anfangen. Aber ich war doch so ein bisschen exotisch. Ich habe dann gemerkt, dass es nicht das Richtige für mich ist, sondern zu sehr die Fortsetzung ist von dem, was ich vorher gemacht habe. Ich glaube, dass ich mich auf einen Irrweg begeben hatte. Ich merke es jetzt im Nachhinein, dass ich mich wesentlich wohler damit fühle, etwas ganz anderes zu machen, jetzt etwas für uns zu machen, zwar berufliche Kompetenzen dafür nutzen kann, aber jetzt auf mittlere Sicht erst mal zu privatisieren.
Was euer Wohnprojekt angeht, gibt es einen Zeitplan, wisst ihr, wann gebaut wird und wann ihr einziehen könnt?
Nein leider nicht. Meine Frau und ich sind vor ungefähr zweieinhalb Jahren in dieses Projekt eingestiegen, als die Gruppe nach einer mehrjährigen Zwangspause den Neustart beschlossen und unter anderem uns zum Mitmachen eingeladen hatte. Die Zwangspause war dadurch notwendig geworden, dass die Stadt nicht vorangekommen war mit dem Bebauungsplan. Die Gruppe hatte den Neustart beschlossen, weil die Verabschiedung des Bebauungsplans und die Vermarktung greifbar nahe zu sein schienen. Das war eine Fehleinschätzung. Heute, zweieinhalb Jahre nach dem Neustart, sind wir weiter weg von der Realisierung als wir bei dem Neustart zu sein schienen, weil nicht einmal feststeht, wann es zur Offenlage des neuen B-Planentwurfs kommen wird.
Wie haltet ihr die Gruppenenergie hoch?
Zunächst war die Ansage, es geht jetzt weiter, es kommt der Bebauungsplan, es kommt die Vermarktung. Und als das vor einem Jahr geplatzt ist, da war das eine Krisensituation für die Gruppe. Wir haben uns dann entschieden, die Pläne bauantragsreif zu machen, obwohl es den Bebauungsplan noch nicht gibt und obwohl wir das Grundstück noch nicht haben, nur auf das Vertrauen hin, dass wir dieses Grundstück bekommen werden.
Ich wünsche euch viel Glück!
Noch eine letzte Frage. Hast du Träume für die Zukunft?
Dieses Wohnprojekt, da träume ich schon von, wie das denn sein wird, wenn wir das realisieren können. Denn wir haben dadrin ja schon unsere Wohnung. Die Pläne sind sehr konkret. Also gezeichnet. Und dadurch, dass wir ja daran arbeiten, auch an der Gestaltung der Gemeinschaftsbereiche, dadurch gibt es immer sehr konkrete Anlässe darüber nachzudenken, wie mein Leben einmal aussehen könnte. Das beschäftigt mich immer mal wieder, häufiger, mehrfach die Woche.
Wenn dann diese Aufbauarbeit mal abgeschlossen sein sollte, habe ich wieder Kapazitäten auch für anderes. Da denke ich im Augenblick stark an Privates. Nicht an Arbeit in institutionellen Zusammenhängen sondern an Sport, an Wandern, an meine Schwester und meinen Schwager in Österreich, die sehr gerne in die Berge gehen und ich gehe gerne mit. An Lesen. Daran, gesellschaftliche Entwicklungen besser zu verstehen, zu verfolgen, vielleicht auch ein bisschen zu intervenieren. Mal gucken.
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