Wie gehst du mit deinem Wissen und Können um? Rosi (15)

Rosi, 66, Meerbusch im März 2022.

Die neue Eingangsfrage ist: Wie gehst du mit deinem Wissen und Können um?

Es hieß ja zuerst, was machst du mit deinem Wissen und Können? Ich habe mir überlegt, was kann ich und was weiß ich. Ich kann mich natürlich auf meinen früheren Beruf beziehen. Ich habe 40 Jahre als Lehrerin gearbeitet. Jetzt aber arbeite ich ehrenamtlich bei Oxfam und betreue dort die Buchabteilung. Wir leben ja von Spenden und das, was ich privat immer sehr gerne gemacht habe, kann ich dort jetzt fortführen.


Würdest du mal beschreiben, was das ist, was du bei Oxfam fortführen kannst?

Wir haben bei Oxfam verschiedene Abteilungen.Ich habe immer viel gelesen und betreue die englischsprachige Literatur und Krimis, Psychologie und Pädagogik, Kunst und Architektur. Das sind die Themen, die mich interessieren. Ich betreue jetzt diese Sparten und kann den Kunden auch Tipps geben. Die fragen manchmal: Ich suche das und das, können Sie mir helfen? Kunst und Architektur sind immer meine Hobbies gewesen, da recherchiere ich auch sehr viel. Wir müssen ja auch die Preise festlegen und dann sieht man ja, wie das Buch im Internet gehandelt wird.

Diese Secondhand-Geschichten, das ist für mich immer schon ein Thema gewesen. Ich habe es vor vielen Jahren in England kennen gelernt. Ich bin ein Fan von Secondhand-Dingen, Kleidung, Bücher, es entspricht meiner Einstellung ganz allgemein. Auch dieses Wissen um Nachhaltigkeit, das ist eine Sache, die mich schon lange begleitet. 


Wo kommt dieses Wissen her?

Ich habe vor fast zwanzig Jahren mal einen Sanatoriumsaufenthalt gehabt und da wurde ausschließlich Biokost angeboten, in eigenen Gärten angebaut. Und seit diesen drei Wochen bestelle ich mir wöchentlich einen Biokorb, seit fast zwanzig Jahren. Manchmal bin ich auch so ein bisschen missionarisch, da muss ich aufpassen. Wenn es dann von Bekannten heißt: Was, du zahlst jetzt für Bioprodukte so viel? Da muss ich aufpassen, weil ich das dann oft so ein bisschen missionarisch rüberbringe. 


Du möchtest eben gerne etwas von deinem Wissen über Nachhaltigkeit mitteilen.

Richtig. Ich möchte sie nicht überreden, ich möchte sie gerne überzeugen. Wenn ich zum Beispiel sage: Schau mal, dann isst du halt nur zwei Mal die Woche Fleisch, aber nimmst hochwertiges Fleisch. Und Kleidungstechnisch bin ich auch schon ganz lange ein Secondhand-Fan. Ich glaube, 80 Prozent meiner Kleidung ist Secondhand. Es ist ja Gottseidank aus der Schmuddelecke rausgekommen. Wir haben bei Oxfam ganz viele Kundinnen, die es gar nicht nötig haben, da einzukaufen. Sie sagen selber: Das sind doch tolle Sachen, warum soll ich mir etwas neues kaufen, so muss nichts neues produziert werden. Ich werde ganz oft auf meine Kleidung angesprochen. Oh, toll, wo hast du das denn her? Also man sieht es den Leuten ja nicht an. Bei Oxfam achten wir darauf, dass die Sachen von wirklich guter Qualität sind.


Wie oft arbeitest du bei Oxfam?

Ein Mal die Woche. Da mache ich immer eine Schicht, das sind fünf Stunden. Und ich habe ja mittlerweile dort mein Team, das ist total toll, wir sind auf einer Wellenlänge, die Chemie stimmt. Ich freue mich richtig auf den Donnerstag. Der Umgang mit den Kunden ist interessant. Oft sind Kunden teilweise unverschämt, damit muss man umgehen.

Wir bekommen aber auch sehr viel Zuspruch und Lob. Das ist eine Bereicherung.


Gibt es denn auch etwas von deinem Wissen und Können, was du in deiner jetzigen Lebensphase überhaupt nicht mehr anwenden kannst? 

Ich gebe hin und wieder Nachhilfestunden. Aber das sind nur die Nachbarskinder, es sind keine richtigen Nachhilfestunden, weil ich dazu keine Lust habe. Ich habe vierzig Jahre im Schuldienst gearbeitet und bin seit drei Jahren in Pension. Wenn ich professionelle Nachhilfestunden anbieten würde, müsste ich mir Material beschaffen, ich muss es ja vernünftig aufbauen, weil ich Geld dafür nehmen würde. Das möchte ich aber nicht. Wenn ein Nachbarskind kommt und Fragen hat, dann helfe ich. Oft kommen die ja: Wir schreiben eine Arbeit und ich habe hier noch Probleme mit der Grammatik, kannst du mal draufgucken?


Hast du Angst, dass Sachen, die du richtig gut draufhattest, verloren gehen, weil du sie nicht anwendest?

Ja. Manchmal ist es mit dem Englischen so. Dann bin ich immer froh, wenn ich die Möglichkeit habe, Englisch zu sprechen. Der Freund meiner Tochter ist Iraner und wir unterhalten uns viel auf Englisch, er spricht mittlerweile gut Deutsch. Aber manchmal kann er sich auf Deutsch nicht so gut ausdrücken und dann sprechen wir Englisch.


Liest du denn englische Bücher, um dranzubleiben oder schaust du Videos oder englisches Fernsehen? 

Eigentlich nicht.


Ich habe dann noch eine letzte Frage: Hast du Träume für die Zukunft? 

Ich möchte meine Enkel aufwachsen sehen. Sie sind jetzt fünfeinhalb und ein Jahr. Sie wohnen leider in Berlin und wir können sie nicht so oft sehen. Ich wünsche mir, dass ich sie auch ein bisschen begleiten kann und ihnen vielleicht auch Tipps geben kann. Manchmal habe ich Angst, dass ich vielleicht meinen Töchtern gegenüber ein bisschen übergriffig bin mit dem, was ich erlebt habe, was ich weiß und was ich kann. Dann denke ich mir: Ach, das ist nicht deine Baustelle.  Manches kommt auch so ein bisschen oberlehrerhaft von mir rüber. Man kommt da irgendwie nicht raus. Ich sehe auch oft, wenn ich eine WhatsApp erhalte oder eine Mail, dass da Fehler drin sind. Mein Mann sagt immer: Ja das ist doch nicht schlimm wenn da kein ... und ich sage: Doch, ich finde schon, man muss auch mal draufgucken wenn man etwas schreibt. Mich stört es schon.

Meine Enkelkinder sollen eigentlich so werden, wie ich mir meine Kinder gewünscht habe und wie sie auch geworden sind. Ich hatte nicht viel Zeit für meine Kinder früher, aber ich war immer für sie da. Ich bin nach acht Wochen wieder in die Schule gegangen und hatte auch eine gute Kraft, die Vormittags kam. Ich sage mir heute, das ist den Kindern gut bekommen. Sie sind selbständig geworden, und ich wünsche meinen Enkelkindern auch, dass sie selbständig werden, selbstbewusst. Dass sie auch Nein sagen können und gerade dass Mädchen eine gewisse Unabhängigkeit erlangen. Das ist bei Frauen heute wichtig, dass sie eine Ausbildung haben und sich nicht so von Männern abhängig machen. Das finde ich sehr wichtig. 



                                                         

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