Kann denn mal einer den Politiker: innen den Unterschied zwischen persönlich und privat erklären!

 Vorhin las ich bei Spiegel Online eine Kolumne, in der es um Olaf Scholz geht. Da steht u.a.: 

„Er sei persönlich für die Impfpflicht, wollte sich aber als Bundeskanzler dafür nicht einsetzen. Das war schon absurd genug, als gäbe es einen Unterschied zwischen dem Menschen und dem Kanzler Scholz.“ 

Wenn es stimmt, was die Kolumnistin schreibt, dass Herr Scholz das Wort „persönlich“ in diesem Zusammenhang genutzt hat, so hat er einfach zwei Begriffe miteinander verwechselt und das hat die Kolumnistin nicht bemerkt. Und zwar persönlich und privat. Hätte Herr Scholz anstelle von "persönlich" "privat“ gesagt, hätte die Autorin ihn verstanden und sich sicherlich nicht empört, denn es ist klar, dass Herr Scholz nicht privat ist wenn er Politik macht. Aber er ist, und das kann man nur hoffen, immer persönlich. Wäre er es nicht, müsste man sich Sorgen machen.

In diesen Tagen wird Herr Scholz sehr wegen seiner Art zu kommunizieren kritisiert. Ich vermute, er will in gar keinem Fall persönlich kommunizieren, eben weil er meint, das sei privat. Die Kritik, die überall zu hören und zu lesen ist, richtet sich aber genau auf diesen Punkt. Denn wenn der Bundeskanzler spricht, klingt es hohl, unemptahisch und irgendwie als wäre er nicht in seinem Körper.

Ich vermute, Herr Scholz will in gar keinem Fall Gefühle zeigen, denn das ist in seiner Welt das letzte, was ein Bundeskanzler tun darf. In diesem Zusammenhang kann man ihn durchaus als "alten weißen Mann" bezeichnen. Denn keine Gefühle zeigen zu dürfen ist ein altes Prinzip aus dem letzten Jahrhundert. Es beruht u.a. auf der irrigen Annahme, Gefühle und Gedanken wären voneinander getrennt und Gefühle gehörten ins Private. Scholz meint natürlich, er müsse als durch und durch rationaler Mensch rüberkommen, wenn er als Bundeskanzler kommuniziert. Das aber verwirrt alle, die ihm zuhören und zusehen, denn es kann nicht sein, dass er keine Gefühle zu den Bildern vom Krieg entwickelt, die wir alle täglich sehen. 

Ich nehme an, für Scholz gehören Gefühle ins Private. Würde er aber privat und persönlich unterscheiden können, würde er auch in seiner Rolle als Bundekanzler persönlich, also in einer Mischung aus Denken und Fühlen kommunizieren können, denn er wüsste, dass er keineswegs privat ist wenn er persönlich ist.

Das Schlimme an der Idee, Denken und Fühlen seien zwei ganz verschiedene und nicht miteinander verbundene innere Prozesse, ist, dass diejenigen, die sich unbedingt als rational darstellen wollen, oft Angst vor ihren eigenen Gefühlen haben. Wenn ich mir aber vorstellIe, unser Bundeskanzler hat Angst vor seinen eigenen Gefühlen.... Nein, das stelle ich mir lieber nicht vor!

Es ist aber offensichtlich, dass Herr Scholz nur die eine Seite von sich zeigen will, die die denkt und rational ist. So ist er sozialisiert, das hält er für richtig. Ich kann mir vorstellen, dass Herr Scholz einer von den Menschen ist, die denken, sie würden als schwach wahrgenommen wenn sie Gefühle zeigen. Wer so denkt, fürchtet sich vielleicht auch, in manchen Situationen von den eigenen Gefühlen übermannt zu werden und sie nicht mehr kontrollieren zu können.

Eins ist klar: Scholz will kontrollieren, sich selbst und alles andere auch. Dabei wäre es so hilfreich, wenn man spüren könnte, wie er als Mensch mitfühlt wenn er über diesen Krieg spricht.

Aber zurück zur Unterscheidung von persönlich und privat. Gefühle werden oft dem Privaten zugeordnet, als würden sie aufhören zu existieren sobald man am Arbeitsplatz ist oder eine andere Rolle einnimmt, die nicht privat ist. Es ist uns allen natürlich klar, dass dies nicht der Fall ist und auch der Bundeskanzler permanent und ständig fühlt. Die Frage ist, wie geht er mit seinen Gefühlen um und wie kommuniziert er sie? Derzeit versteckt er sie hinter Sätzen, die er oft sogar vorliest und die wie Phrasen klingen. Übrigens heißt der Titel der Kolumne, aus der ich oben zitiere: Phrasen statt Führung. Von Sabine Rennefanz.

Ganz interessant in diesem Zusammenhang: Frau Strack-Zimmermann, ebenfalls bei Spiegel Online, in einem ganz anderen Zusammenhang über Herrn Scholz:

"Vielleicht hätte Scholz einfach das sagen müssen, was er vermutlich täglich mit seiner Frau bespricht".

Sie legt Scholz also nahe, öffentlich so zu kommunizieren, als wäre er privat. Das zeigt, dass auch sie persönlich und privat miteinander verwechselt. Ja mei! Kann denn mal einer diesen Politiker:innen den Unterschied zwischen privat und persönlich erklären!




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