Privatmensch oder weltbezogener Mensch mit einem Privatleben.

Nachdem wir im Alter angekommenen sind, uns aber eher nicht alt fühlen, ist für viele die Frage: Was jetzt? Manche haben Lust auf Neues und Herausforderungen. Manche suchen nach Betätigungsfeldern. Sie orientieren sich. Sie engagieren sich.

Aber nicht alle Alten haben Lust auf Neues und auf Herausforderungen. Viele wollen ihre Ruhe haben und ihr Privatleben so schön wie möglich gestalten, sich etwas gönnen und genießen. Die einen wollen privatisieren und die anderen können sich ein Leben ohne aktiven bzw. proaktiven Weltbezug nicht vorstellen. 

Aktiv sind heutzutage alle Alten. Die Privatisierer:innen genauso wie die proaktiv Weltbezogenen. Aber es ist anders als Privatisierer:in aktiv zu sein als in einer Aktivität zu sein, die über das Private hinausgeht. Ich muss zugeben, dass mich diese Unterscheidung schon lange fasziniert, denn ich stelle immer wieder fest, wie sie den wirklich großen Unterschied macht wenn man unter Alterskohorten ist und miteinander spricht und sich austauscht.  

Die Themen, die bei diesen Treffen angesprochen werden, sind zwar nicht vollkommen unterschiedlich, denn auch die Weltbezogenen haben Privatleben, sie haben Enkelkinder, sie verreisen und sie genießen. Das aber ist nicht alles, was sie beschäftigt, da liegt nicht ihre ganze Identität, das ist nur ein Teil ihres Lebens. Die Privatisierer:innen aber haben nur das, was sie als Privatperson tun und haben. Und das kann viel sein, je nach dem, wie viel Geld man hat. Denn der Weltbezug der Privatisierer:innen ist bestimmt durch die Konsumentenrolle, die Rolle des Käufers, der Auftraggeberin, des Kunden, der Klientin, des Patienten etc. Alles Rollen, in denen Geld eine Rolle spielt. 

Wir wollen alle glücklich sein. Manche sind auch zufrieden mit Zufriedensein. Der grundlegende Unterschied im Alter ist, dass die einen nicht glücklich oder zufrieden sein können, wenn sie nicht auch woanders tätig sind als im eigenen Privatleben. Viele suchen dann ein freiwilliges Engagement, womit sie Zeit verbringen können und das Gefühl haben, gebraucht zu werden und etwas sinnvolles zu tun.

Und hier kommt eine weitere Unterscheidung ins Spiel, nämlich dass dieses freiwillige Engagement oder Ehrenamt meist als Erweiterung der Privatrolle erlebt und gelebt wird und nicht als eine Rolle, die eine eigene Identität hat. An dieser kleinen und kaum oder gar nicht beschriebene Identitäts-Schnittstelle im Leben von Menschen im Alter nach ihrer Berufstätigkeit liegt ein springender Punkt, der mich besonders interessiert. Ich glaube, dass es hier um eine Entscheidung geht, die jeder einzelne alte Mensch treffen kann. Aber Entscheidungen trifft man nur, wenn man weiß, dass man verschiedene Möglichkeiten hat. Und man braucht Rollenbewusstsein. 

Ich würde sagen, es geht um die Idee von sich selbst mit der man als alter Mensch in der Welt unterwegs ist. Es geht um die Unterscheidung zwischen ich als Privatmensch und ich als weltbezogener Mensch mit einem Privatleben. Ich für mich kann sagen, dass ich anstrebe, ein weltbezogener Mensch mit einem Privatleben zu sein. Ein Leben ausschließlich als Privatperson ist mir nicht genug und macht mich nicht glücklich. Egal wie aktiv ich bin. 



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