Dieses Drehen um die eigene Person ist der Wahnsinn.

Solange wir arbeiten gehen, beruflich in bestimmten Rollen sind und auf unsere Wirkung achten und Aufgaben erledigen müssen, kontrollieren wir unsere inneren Impulse. Anders wäre berufliches Sozialleben nicht denkbar. Wenn wir aber nicht mehr beruflich unterwegs sind, wenn wir pensioniert sind oder in Rente, dann müssen wir uns um unsere Wirkung nicht mehr auf dieselbe Weise kümmern wie in einer beruflichen Rolle. Sie kann uns sogar vollkommen egal sein. Es geht ja um nichts mehr. 

Heißt das, dass wir dann unseren inneren Impulsen freien Lauf lassen können?
Können wir sie sozusagen von der Leine lassen und ihnen folgen, ohne Rücksicht auf Verluste? Weil wir nichts mehr zu verlieren haben? Nach dem Motto: „So bin ich eben!“?

Ich bin erstaunt, dass ältere Menschen, frei von beruflichen Zwängen und oft auch frei von anderen Verpflichtungen, davon auszugehen scheinen, dass sie sich nicht mehr um Rollenverhalten kümmern müssen, sondern immer und überall so sind, wie sie eben sind. Frei und ohne Zwänge. Und so geben sie oft  auch im sozialen Kontakt ihren inneren Impulsen nach. 
Am ehesten kann man es bei Gesprächen erleben. Es wird gesagt, was gerade in den Sinn kommt. Drauflosgeredet. Dabei wird inkauf genommen, dass der Redefluss dem inneren Assoziationsfluss folgt. Ganz nach dem Motto: raus damit! Oberste Priorität scheint zu sein, so zu sein, wie man ist, das zu sagen, was einem gerade in den Sinn kommt, das zu tun, worauf man Lust hat - okay, manchmal auch, was getan werden muss. Aber ungern. 

Dieses Drehen um die eigene Person und diese Idee, es müsse immer schön sein, ist der Wahnsinn. 

Alle Alten, oder besser gesagt die allermeisten, sind aktiv. Von hier nach da und von diesem Event zum nächsten. Das Leben soll schön sein! Und das ist gut so. Daran ist nichts falsch. 

Die Frage ist, mit welcher Haltung sind wir unterwegs. 
Mit welcher Haltung sorgen wir dafür, das es schön ist?

Soll es für mich schön sein - oder soll es für die anderen schön sein - oder soll es für alle Beteiligten schön sein? Oder soll etwas Schönes gemacht werden? Soll etwa Schönes entstehen? Und wenn es nicht schön ist, was dann? Wer hat schuld? Wer ist verantwortlich? Und die Frage aller Fragen: Sind wir bereit Frustration zu ertragen? 

Übrigens:Bei diesem Drehen um die eigene Person geht es m.E. nicht um Egozentrik oder Egoismus. Es passiert vielen älteren Menschen einfach von selbst, ohne dass sie es merken, dass sie sich zum Zentrum von allem machen. Ich vermute, sie sehen keine Alternative. Wenn ihnen niemand sagt, was zu tun ist und welche Prioritäten zu verfolgen sind, kommt einfach das an erster Stelle, was da ist, und das sind sie selbst. 




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