Wenn Wissen und Können keine Rolle mehr spielen.

Wer bin ich ohne mein Wissen und Können? Die Frage finde ich irgendwie beängstigend und ich merke, dass ich sie  ungern öffentlich behandeln würde. Ich habe das Gefühl, dass es intim wird wenn ich mich von meinem Wissen und Können desidentifiziere. Dabei bin ich schon lange ohne Expertise unterwegs und greife nur dann darauf zurück wenn ich für die Rolle der Expertin angesprochen werde. Wenn ich zum Beispiel eine Anfrage für einen Workshop oder eine Lesung erhalte, dann bin ich voll und ganz mit meinem Wissen und Können identifiziert, dann hole ich es in den Vordergrund. Aber sonst?

Die berufliche Welt funktioniert indem wir uns in Rollen begeben für die ein bestimmtes Wissen und Können vorgesehen ist. Wir gehen in Funktionen, übernehmen Aufgaben, wir tun wofür wir ausgebildet wurden und bezahlt werden. Das ist der Deal. Ich lerne und schaffe mir Wissen und Können drauf und stelle es dann zur Verfügung, indem ich es verkaufe. 

Ich vermute, dass manchmal und vielleicht sogar oft, die Identifizierung mit dem eigenen Wissen und Können so stark ist, dass man nicht nur dieses auf dem Arbeitsmarkt verkauft, sondern sich selbst als Person. Diese Vermischung ist möglicherweise einer der Gründe für die vielen Burnouts. Wer sich selbst nicht desidentifizieren kann von dem, was man weiß und kann, läuft Gefahr, in den Strudel der Funktion zu geraten, die wir als Arbeitskraft übernehmen. 

Wenn das wegfällt, weil wir Rente oder Pension bekommen, können wir unser Wissen und Können, unsere Expertise, die wir verkauft haben, eigentlich an den Nagel hängen. Die Frage ist, geht das so einfach? Was bleibt von mir wenn ich das tue? Und ist es gesellschaftlich gesehen in Ordnung wenn Massen von Expertisen an irgendwelchen Nägeln in der Gegend rumhängen? Klar, da sind jetzt andere, jüngere, die unseren Arbeitsplatz belegen, aber unser Wissen und Können bleibt ja bei uns. Was wir draufhaben, haben wir drauf. Wohin damit? Eine Möglichkeit ist der Nagel, an den wir es hängen können. Aber wenn es dort vergammelt, dann ist es irgendwie auch nicht schön. 




Kommentare