Dabeisein und Mitmachen einerseits und Initiator:innen und Gründer:innen andererseits

Als Initiator:in kann man planen soviel man will, es aufschreiben und versenden, aber das heißt nicht, dass der Text gelesen wird und schon gar nicht, dass er akzeptiert wird und die Mitglieder der Gruppe Energie zur Umsetzung aufbringen. Ein Konzept ist ein Konzept ist ein Konzept … na und? Ohne die Gruppenmitglieder in die Konzeptentwicklung einzubinden, ist es schwierig, dass ein Konzept einer einzelnen Person gemeinschaftlich umgesetzt wird, wenn das Gemeinschaftliche doch schon erreicht ist, wenn man sich regelmäßig trifft und dabei sein kann. Die Motivation für mehr ist nicht automatisch gegeben und stellt sich auch nicht ein, wenn eine Person dieses Mehr aufschreibt und sich dafür begeistert.   

Dabeisein und Mitmachenkönnen ist ein Wert an sich. Und für Menschen nach der Berufstätigkeit und nach der Familienphase haben Möglichkeiten von Zugehörigkeit im öffentlichen Raum einen hohen Stellenwert, weil sie ja nicht mehr automatisch irgendwo in einer Firma oder einer Organisation oder einem Betrieb dazugehören. Nach der Berufstätigkeit und erst recht beim Älterwerden, sind Zugehörigkeiten meist nur noch im Privaten möglich. In der Familie oder der Nachbarschaft oder dem Freundeskreis. Wer woanders dazugehören will, muss sich eine Gruppe oder einen Verein suchen oder selbst gründen.

Gründer:innen im freiwilligen Engagement sind diejenigen, die über ihr persönliches Dazugehörigkeitsbedürfnis hinausdenken. Sie schaffen mit ihrem Engagement Möglichkeiten, damit andere sich anschließen und mitmachen und dabeisein können. 

Das führt oft dazu, dass sie, sobald die Struktur der Gründung steht, von den anderen kritisiert werden. Oft wird ihnen vorgeworfen, sie würden Druck machen, und den will niemand, denn man trifft sich ja freiwillig und die Erwartung ist, dass es schön sein soll. ( Zu dieser Erwartung werde ich später etwas schreiben.) Dieses Phänomen, dass die Initiator:innen nach einiger Zeit des Zusammenkommens von denen, die dazugekommen sind, kritisiert werden, habe ich in fast allen selbstgegründeten Wohnprojekten gefunden, und jetzt habe ich es bei Lesekreis anders: selbst erlebt. Als die Gruppe sich klar gegen die von mir vorgeschlagene Feedbackrunde stellte, wurde mir unter anderem gesagt, ich würde Druck ausüben. Das war als Vorwurf gemeint, und ich verstehe, was gemeint ist. Was ich nicht verstehe, ist das Denkmuster, was dahintersteht. Es ist weit verbreitet und mich würde interessieren, was der Hintergrund davon ist.

Mein Über-den-Lesekreis-hinausdenken führt zu Formulierungen und Verhalten meinerseits, das diejenigen, die nichts weiter wollen, als an einem Lesekreis teilnehmen, irgendwie befremdet und bei einigen das Gefühl auslöst, unter Druck zu kommen. Das verstehe ich. Sie merken, dass etwas von ihnen erwartet wird, was sie nicht geben wollen und wobei sie auch nicht mitmachen wollen. Sie wollen aber dabeibleiben. Die radikale Partizipation des Konzepts ist ja umgesetzt, indem alle, die wollen, die Rolle der Lesebegleiterin übernehmen können. Was bisher nicht umgesetzt ist, ist die gemeinsame Reflexion der Ausübung der Rolle. Im Moment denke ich, dass wenn die Gruppe keinen Weg findet, um diese aus meiner Sicht notwendige Selbstreflexion im Lauf der nächsten Monate zu praktizieren, das Konzept der radikalen Partizipation gescheitert ist.  

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