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Die Demokratie und eine ihrer heiligen Kühe

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Eigentlich wollte ich schreiben: Die heilige Kuh der Demokratie.   Bevor ich jedoch Sätze wie diesen schreibe, google ich immer erst einmal, um zu sehen, ob dieser Satz schon anderswo als Titel verwandt wurde. Ich habe ihn tatsächlich woanders gefunden und zwar für eine ganz andere "heilige Kuh der Demokratie". Also war klar: die Demokratie hat mehrere heilige Kühe. Ich will hier aber nur über eine sprechen, nämlich über das Mehrheitsprinzip .  Wir können uns die Demokratie überhaupt nicht ohne Mehrheitsprinzip vorstellen. Wir können Demokratie noch nicht einmal ohne Mehrheitsprinzip denken. Und für viele, vielleicht für die allermeisten, ist es ein und dasselbe: Demokratie und Mehrheitsprinzip.  Dahinter steckt der Gedanke, dass das, was die meisten wollen, das bessere sei. Dass das, wofür die meisten stimmen, für alle, also auch für die, die anders gestimmt haben, das richtige sei. Es ist der Glaube an den Wert von Quantität. Das Credo ist: Mehr ist besser.  Höher....

Wie wollen wir Entscheidungen treffen?

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Nach der Frage: Wie wollen wir miteinander umgehen? ist die nächste Frage: Wie wollen wir Entscheidungen treffen?  Diese Frage stellen sich jedoch nur diejenigen, die wissen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt. Wer das nicht weiß, wird sich nicht fragen, wie die Gruppe Entscheidungen treffen will. "Demokratisch natürlich", wird jede sagen. Und das bedeutet automatisch mehrheitlich. So haben wir es gelernt. Mehrheitlich und demokratisch wird einfach gleichgesetzt. Wie wenn es dasselbe wäre. Dabei geht es um zwei ganz verschiedene Kategorien, nämlich um ein Entscheidungsverfahren und um eine Gesellschaftsform.  Die Art der Gesellschaftsform wird durch die Art, wie entschieden wird, erst definiert. Dasselbe trifft auf Gruppen zu. Die Art, wie eine Gruppe entscheidet und wie sie den Entscheidungsfindungsprozess gestaltet, definiert sie. In einer Diktatur entscheidet nur einer, der Diktator. Diktatur ist also eine Gesellschaftsform, in der die Gesellschaft nicht entscheiden k...

Theorie und Praxis

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Die Profis, die sich mit Kommunikation in Gruppen beschäftigen, geben viele Hinweise und Ratschläge, sowohl im Netz als auch in Buchform.Es gibt viele Diagramme, die aufzeigen, wie in Gruppen gesendet und empfangen wird, welche Ebenen angesprochen werden, wenn man dieses oder jenes sagt oder tut oder auch nicht. Die darauf hinweisen, was passiert, wann wer in welcher Rolle was zu wem sagt oder sagen soll oder nicht sagen sollte. Viel Text. Viele Modelle und Zeichnungen. Viel Wissen. Viel Theorie. Aber. Zwischen Denken, Schreiben, Lesen, also der Theorie und dem Handeln gibt es Gräben. Mich interessiert, wie diese Gräben überwunden werden können. Wie das vorhandene Wissen in die selbstorganisierten Gruppen kommt, wie es dort umgesetzt wird und zur Gewohnheit werden kann. Um jedoch immer wieder hinterfragt zu werden. Denn Gruppen sind im ständigen Prozess, wenn sie lebendig sind.  Ich kenne diese Gräben zwischen Theorie und Praxis gut. Ich lese viel zum Thema Kommunikation in Gruppen...

Der richtige Zeitpunkt für eine Pressemitteilung

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Wachsen und Entwickeln sind Prozesse, die ihre Zeit brauchen. Eine Wohnprojektgruppe muss wachsen und sich entwickeln. Oft aber fehlt den Beteiligten, also den Gruppenmitgliedern, das Empfinden dafür, dass sie ein soziales Gebilde, ein lebendiger sozialer Organismus sind, der wächst und sich entwickelt und verschiedene Phasen durchläuft.  Das trifft auf alle selbstorganisierten Gruppen zu, egal, ob sie ein Wohnprojekt planen oder sich für ein anderes Thema engagieren. Wenn Menschen zusammenkommen, weil sie ein gemeinsames Anliegen haben und sich als Gruppe für dieses Anliegen freiwillig engagieren, organisieren sie sich selbst und werden damit automatisch zu einem sozialen Organismus.  Der Begriff klingt vielleicht fremd, weil wir "Organismus" eher als biologischen Begriff kennen. Aber es ist durchaus hilfreich, sich eine selbstorganisierte Gruppe als Organismus vorzustellen, in dem alles lebendig ineinander wirkt und alles mit allem verbunden ist. Dieses Bild hilft vor allem...

Der falsche Zeitpunkt für eine Pressemitteilung

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Sagen wir Peter und Elke, sie sind um die sechzig, haben beschlossen, in ihrer kleinen Stadt in NRW ein Wohnprojekt zu gründen. Sie haben Bücher zum Thema gelesen, Sendungen im Fernsehen darüber gesehen und haben zwei schon realisierte Projekte in der Nähe besucht. Sie fühlen sich für ihr Vorhaben gut gerüstet. Zudem sind Johannes und Friedhelm und deren Freundin Salma mit im Boot. Friedhelm bringt außerdem noch Tarik und Jessica zu einem ersten Treffen mit, in Peters und Elkes Wohnzimmer. Eine kleine Gruppe von sieben Leuten, davon zwei Paare: Peter und Elke sowie Johannes und Friedhelm. Nicht alle kennen sich, und so geht es darum, sich erstmal kennenzulernen. Die kleine Gruppe trifft sich eine zeitlang reihum in den verschiedenen Wohnzimmern und jedes Mal ist es Thema, dass jemand jemanden kennt, der oder die auch gerne mitmachen würde. Aber die Wohnzimmer sind zu klein für mehr Leute.  Peter nimmt Kontakt mit dem Liegenschaftsamt vor Ort auf, um zu fragen, wie es mit einem Grun...

Das Dilemma gemeinschaftlicher Wohnprojekte mit der Führungsrolle.

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Ich habe 2015 begonnen, mich mit Menschen zu treffen, die gemeinschaftliche Wohnprojekte initiiert haben, um sie zu interviewen. Aus diesen Interviews ist ein Buch geworden, das 2018 im oekom verlag erschienen ist, mit dem Titel Ab ins Wohnprojekt!  Auf der Basis dieses Buches werde ich seither manchmal von Wohnprojekten zu Workshops eingeladen. So kann ich weiterhin Projekte und ihre Initiatoren und Initiatorinnen kennenlernen und immer mehr Einblick in die Szene gewinnen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ein bestimmtes Phänomen immer wieder vorkommt und sich durch die gesamte Wohnprojekte- Szene zieht. Ich will versuchen es zu beschreiben. Es hat etwas mit den Initiatoren und Initiatorinnen zu tun, also mit den Menschen, die vor Ort die Urspungsidee hatten und dann irgendwann angefangen haben, ihre Idee vom gemeinschaftlichen Wohnen aktiv umzusetzen.  Häufig sind es Paare um die 60, die aktiv werden. Aber manchmal sind es auch Einzelpersonen, einzelne Männer oder Frauen, wobe...

Unterscheiden zwischen persönlich/individuellen Bedürfnissen und Bedürfnissen der Gruppe.

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Eigene persönliche individuelle Bedürfnisse sind immer eigene persönliche individuelle Bedürfnisse. Und sie sind niemals "falsch". Bedürfnisse sind Bedürfnisse sind Bedürfnisse. Die Frage ist: Wie gehe ich, wie geht jede und jeder Einzelne mit den eigenen persönlichen individuellen Bedürfnissen um? Und da kann es dann sein, dass man es "falsch oder richtig" macht. Wobei zu klären wäre, was falsch und richtig überhaupt ist. Auch Gruppen haben Bedürfnisse. Diese sind nicht persönlich und individuell, aber sie können durchaus eigen sein. Spezifisch. Besonders. Je nach dem, welches Anliegen die Gruppe verfolgt und an welcher Stelle sie sich im Prozess der Projektverwirklichung befindet.  Gruppenmitglieder tun gut daran zu unterscheiden zwischen den eigenen persönlichen individuellen Bedürfnissen und den Bedürfnissen der Gruppe. Das ist nicht immer leicht. Und je nach dem wie groß die Identifikation mit der Gruppe ist, werden die persönlichen Bedürfnisse mit denen der Gr...

Die Neuen sollen zu uns passen!

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Wenn WohnprojektGruppen größer werden wollen oder müssen, begegnet mir immer wieder der Satz: " Wir suchen Leute, die zu uns passen." Ich frage mich dann, was das denn heißt "zu uns passen"? Und: WIE ist "zu-uns-passen" definiert? Und: WER definiert es? Ein Mal habe ich nachgefragt: "Woran willst du das denn festmachen, wer zu Euch passt?" Und die Person hat geantwortet: "Das sieht man doch."  Letztens hat eine Person in einer WohnprojektGruppe gesagt, ihr sei sehr wichtig, dass die Neuen "sympathisch" seien. Was das genau heißt, hat sie nicht gesagt, und die anderen haben sie auch nicht gefragt. Mir schien, dass alle davon ausgehen, dass alle immer wissen, wer sympathisch ist und wer nicht und dass alle meinen, "sympathisch" sei für alle immer dasselbe.  In WohnprojektGruppen, deren verbindende Idee das gemeinsame Wohnen ist, ist die Angst groß, es könne jemand dazukommen, der oder die "nicht zu uns passt"...

Demokratie und Mehrheitsprinzip ist nicht dasselbe.

"Die Demokratie i st eine geniale Form der Entscheidungsfindung, aber die Leute wählen bisweilen die falschen Lösungen und etablieren Widerspruch geradezu prinzipiell. "  Diesen Satz las ich eben in einem  Essay auf s piegel-online.  Demokratie ist jedoch keine Form der Entscheidungsfindung, sondern eine Gesellschaftsform,  in der Entscheidungen mithilfe des Mehrheitsprinzips getroffen werden. Da das Mehrheitsprinzip sozusagen an die demokratische Gesellschaftsform gekoppelt ist, gehen wir davon aus, Demokratie und Mehrheitsprinzip seien dasselbe bzw. untrennbar miteinander verknüpft. Aber das sind sie nicht.  Demokratie kann auch anders Entscheidungen finden und treffen, nämlich mit dem Systemischen Konsensieren. Mit dieser Methode werden alle demokratischen Werte bestens umgesetzt und genutzt, um die Entscheidungen zu finden, die dem Konsens am nächsten kommen. Das Mehrheitsverfahren sucht Gewinner.  Und wer gewinnt, hat das Sagen. Und...

Vision und Entscheidungsprinzip

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Wohnprojektgruppen entwickeln zu Beginn ihrer Zusammenarbeit üblicherweise eine gemeinsame Vision. Dieser Prozess der Visions-Entwicklung ist oft der Einstieg in das Gemeinschaftsleben. Gruppen, die auf diesen Einstieg verzichten, berauben sich der Grundsteinlegung ihres Gemeinschaftslebens.  Manche Gruppen meinen, die gemeinsame Vision sei doch klar, wenn Leute zu den Einladungen kommen, in denen angekündigt wird, dass es um ein gemeinsames Wohnprojekt geht. Irgendwie gehen sie davon aus, dass dasselbe zu wollen auch heißt, dass dasselbe für alle dasselbe ist. Ein gemeinschaftliches Wohnprojekt kann für jeden und jede, die mitmachen will, etwas anderes bedeuten. Selbst wenn der Standort feststeht und alle sagen: Ja, da will ich wohnen, diesen Platz finde ich gut, kann es sein, dass zu der Art, WIE dort zusammen gewohnt wird, vollkommen unterschiedliche Vorstellungen bestehen.  Also ist es wichtig, eine Gruppensituation zu schaffen, in der jede und jeder seine persönliche und ...

Systemisches Konsensieren - ein Impulsvortrag

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Üblicherweise versuchen wir, wenn wir Inhalte vermitteln, diese Inhalte zu systematisieren und sie mithilfe einer Struktur, einer Ordnung, eines Systems den Lernenden nahezubringen.  Wie aber vermittelt man Systemisches, das keine lineare Ordnung hat, sondern prozesshaft ist. Und wie lernt man etwas, wenn es nicht systematisch dargeboten wird?  Meine Erfahrung ist, dass, wenn die Systematik beim Vermitteln wegfällt, die Beziehung zwischen Vermittlerin und Lernenden eine viel größere Bedeutung erlangt. Damit wird ein zwischenmenschliches Feld eröffnet, welches sozusagen der Ersatz für Systematik ist und in dem Systemisches stattfinden kann. Wenn dieses Feld jedoch nicht entstehen kann oder soll, dann muss Systemisches Konsensieren systematisiert werden. Der Impulsvortrag für die Veranstaltung PowerTalk der Melanchthon-Akadmie in Köln ist ziemlich systematisch geworden.  Hier   gehts zum Video.

"Wie wollen wir miteinander umgehen?"

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Die wichtigste Frage überhaupt. Egal um welches Thema es geht. Egal um welches Projekt es geht. Egal ob die Gruppe klein oder groß ist, ob es zwei Menschen sind oder viele, die etwas zusammen machen. Es geht immer auch um die Frage, wie miteinander umgegangen wird. Wie beziehen wir uns aufeinander? Wie denken wir übereinander? Wie reden wir miteinander? Reden wir auch übereinander? Reden wir auch übereinander, wenn diejenigen, über die wir reden, nicht dabei sind?  Natürlich ist das WAS wichtig. Das Thema, das Anliegen. Natürlich sind Daten und Fakten und Zahlen wichtig. Natürlich sind inhaltliche Zusammenhänge wichtig. Natürlich geht es immer um ETWAS, dem wir Bedeutung beimessen. Aber WIR, also die Menschen, die sich um dieses ETWAS kümmern, sind auch wichtig. Ohne uns würde sich nämlich dieses ETWAS nicht bewegen. Jede Gruppe, jedes Team, jedes Miteinander bildet ganz automatisch und aus sich heraus ein soziales System, in dem Rang und Macht und Abhängigkeiten eine Rolle spielen...

Der Gemeinschaftskompass. Eine Orientierungshilfe für kollektives Leben und Arbeiten.

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Dies ist der Titel des Buches, das Eva Stützel geschrieben hat und das im April im oekom verlag herausgekommen ist. Ein tolles Buch !!! Vor allem für diejenigen, die sich zusammentun, um gemeinsam ein Wohnprojekt zu planen, zu verwirklichen, um dann zusammen zu wohnen und zu leben. Aber auch für diejenigen, die bereits zusammen wohnen und leben. Aber auch für andere, die sich mit anderen zusammentun und ein gemeinsames Projekt entwickeln und umsetzen. Zum Beispiel eine Nachbarschaftsgruppe oder eine Freizeitgruppe oder eine Lerngruppe. Alle Gruppen, denen es auch um die Gemeinschaft geht, können Aspekte des Gemeinschaftskompass`, den Eva Stützel entwickelt hat und den sie in diesem Buch ausführlich vorstellt, anwenden.  Das Buch ist nix für diejenigen, die um jeden Preis ihr Ziel erreichen wollen, denen also der persönliche Erfolg wichtiger ist als das Gemeinschaftliche. Wer denkt, man müsse doch nur "vernünftig" miteinander reden, dann würde sich alles andere schon ergeben, ...

"Mit Widerstand arbeiten, statt dagegen ankämpfen!"

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In der Interview-Reihe zum Systemischen Konsensieren ( SK) habe ich im Februar 2021mit Mathias Schwab auf Zoom gesprochen.  Mathias Schwab unterstützt mit seinem Beratungsunternehmen prozessintervention.ch seit bald 20 Jahren Menschen, Gruppen, Teams, Organisationen und Unternehmen mit Angeboten in den Bereichen Beratung, Entwicklung, Begleitung und Intervention, Prävention, Weiterbildung. Von ihm ist der Satz:" Mit Widerstand arbeiten, statt dagegen ankämpfen! "  Hier geht es zum Interview. Mathias Schwab

Ressource der Zukunft: VERTRAUEN

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W elche Ressource ist die wichtigste für unsere Zukunft? Nicht das Öl. Auch nicht (mehr) das Geld. Nicht einmal die Aufmerksamkeit, diese Kunstwährung des hypermedialen Zeitalters. Es ist das VERTRAUEN. Diese Zeilen las ich eben in einem Aufsatz von Matthias Horx. Und das nachdem ich gestern den Blogeintrag geschrieben hatte mit dem Titel: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Also besser und unmittelbarer hätte sich das Thema VERTRAUEN für mich nicht weiterentwickeln können. Zum Aufsatz von Matthias Horx mit dem Titel: Die Zukunfts-Ressource. Unter anderem schreibt Horx:  E s gibt drei Ebenen von Vertrauen: Gesellschaftlich, persönlich und in der Form des Selbst-Vertrauens. Gesellschaftliches Vertrauen bezieht sich auf die Sozialordnung, in der wir leben. Auf das Verhältnis von Ich und IHR. Dazu gehört: politisches Vertrauen. Institutionelles Vertrauen. Auch Markt-Vertrauen. Werde ich betrogen, wenn ich etwas kaufe? Persönliches Vertrauen bezieht sich auf unser konkretes Bezie...